STEPHEN FERGUSON
STATEMENTS 1997

Die Lage.
Arbeitsstoff des Komponisten ist heute nicht die Partitur, sondern der (digitalisierte) Klang. Die Partitur wird immer weniger als Ergebnis der Komposition bewertet. Ihre Herstellung und Vertrieb sind unrentabel, sie überlebt nur als Kommunikationsmittel zwischen Komponist und Musikern. Was wir produzieren, sind Aufnahmen, sind Autodateien. Die staatliche Unterstützung der Kunst wird zurückgehen, immer mehr Autonomie wird von Komponisten erwartet. Das heißt, daß der/die Komponist/in - neben der rein künstlerischen Produktion - auch zunehmend “funktionelle Musik” produzieren wird müssen. Die stilistischen Kompetenzen des Komponisten werden breiter werden. Er und sie werden sich nicht mehr hinter den Mauern der hohen Kunst verstecken können. Die Welt ist pluralistisch, ihre geistigen Ansprüche sind nicht mehr ideologisch - wer hört nur mehr eine Kategorie von Musik? -, sondern genießerisch. Komplexe und schwierige Musik ist damit nicht tot, sie darf aber kein profundes Wissen über die westeuropäische Musikgeschichte voraussetzen. Sie muß selbsterklärend sein. Unsere Zuhörer streifen durchs World Wide Web, hören 50 Kanäle, besitzen CD von Mozart über Coltrane bis Dancefloor. Es genügt nicht, im Konzertprogramm zu erscheinen. Wir müssen zeigen, daß wir begriffen haben, daß die geistige Rezeption neue Wege geht. Sonst ist das, was wir tun - und was wir sind - anachronistisch.



Meine Arbeitswelt.
Ich habe längst erkannt, daß die Werkstatt, in der ich arbeite, nicht nur mit Papier und Bleistift ausgestattet sein darf. Ich war immer bestrebt, die neuen Medien zu begreifen [...]. In den letzten Jahren habe ich mein eigenes Werkzeug für die Musikproduktion gesammelt. Ich war wohl der erste E-Musiker in Österreich, der Pro Tools 3 erwarb. und die digitale Workstation ist mein Arbeitsplatz. Mein Tonstudio hat inzwischen 40 digitale Spuren, viele MIDI-Instrumente und viel Sampling-RAM sowie hochwertige Analog - Signalwege. Ich kann ganze Produktionen von der Grundidee bis zur fertigen CD verwirklichen. Das heißt nicht, daß ich technologiegäiubig bin. Der erste Arbeitsschritt für mich heißt immer “ Computer ausschalten”. Die geistige Arbeit findet nach wie vor im Herzen und in der Fantasie des Komponisten/der Komponistin statt. Imagination und ihre klangliche Umsetzung ist unsere Welt. Die Vermittlung der Imagination ist aber neu - wir müssen für Orchester, aber auch für Film, für Internet, für CD-ROM, für DVD komponieren können. (Ich arbeite derzeit an einer CD-ROM, an Musik für das neue digitale Pay-TV Österreichs, an Ideen für ein großes Orchester, an Musik für den NÖ Klangturm). Wir können nur dann die neuen Medien mit unserer Musik bereichern, wenn wir ihre Gesetzmäßigkeiten und ihre Beschaffenheit begriffen haben. Auch wenn die geistigen Inhalte, die wir vermitteln, ewig unsere eigenen sind, ihre äußere Form wird zunehmend vielfältiger werden.